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Digitalisierung: Jobmotor oder Jobkiller?

„Maschinen nehmen Arbeitern die Jobs weg!“ und „Die Digitalisierung erleichtert unsere Arbeit“ sind häufige, gegensätzliche Aussagen, die die Bandbreite der Diskussion um Digitalisierung und die neue Arbeitswelt zeigen. Besonders Arbeitnehmer und Jobsuchende ringen nach Orientierung in einer zunehmend dynamischen und digitalen Arbeitswelt. Wir haben uns angesehen, wie sich die Digitalisierung auf Jobs der Zukunft auswirken wird und bieten Ausblicke.

Digitalisierung in allen Lebensbereichen

Die Digitalisierung ist seit der Kommerzialisierung von Computern in den 1980er Jahren ein heiß diskutiertes Thema. Denn sie kennzeichnet einen quasi evolutionären Sprung der Menschheit, ähnlich wie vorher die Industrialisierung mit der Massenproduktion durch Maschinen das Weltbild vieler erschüttert hat. Innerhalb weniger Jahrzehnte sind digitale Systeme in jeden Lebensbereich eingedrungen: Arbeit, Bildung, Wirtschaft, Industrie, Verwaltung und auch Kommunikation sind ohne helfende Geräte und verbindende Netzwerke nicht mehr denkbar. 

Dadurch haben sich auch Arbeitsweisen, Verhalten und Denkarten nachhaltig verändert. Wenn man bedenkt, wie schnell sich die Meinung zu Mobil- und Smartphones vom „vorläufigen Trend“ zum heute unverzichtbaren Tool gewandelt hat, schein-utopische Konzepte von selbst-fahrenden Autos oder robotischen Assistenten nicht mehr so abwegig.    

Ein Mentalitätswechsel in Bezug auf die Digitalisierung ist nötig

Angesichts von Schnelligkeit und Ausmaß der digitalen Transformation aller Bereiche wundert es kaum, dass neben Euphorie auch viel Angst und Unsicherheit herrscht. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts sorgten sich Arbeiter darum, dass Maschinen ihre Aufgaben übernehmen. Heute fragen sich Lagerlogistiker bis Büroangestellte, ob intelligente Maschinen ihre Jobs obsolet machen. 

Dabei liegt das Missverständnis schon in der Fragestellung – denn Jobs können nicht eins zu eins von Robotern übernommen werden. Vielmehr werden manche Tätigkeiten eines Berufs automatisiert oder maschinengestützt bearbeitet, dadurch entstehen wieder neue Anforderungen im Job und der Fokus verschiebt sich. Das heißt, es geht nicht darum, ob die Digitalisierung Jobs generiert oder verschwinden lässt, eher sollten wir uns fragen: wie werden sich Jobprofile zukünftig wandeln und welche neuen Kompetenzen werden dafür notwendig sein? 

Manche Jobs gehen verloren, andere Jobs kommen

Besonders Arbeitssuchende oder Jobeinsteiger beobachten, wie Anforderungsprofile und Jobbezeichnungen in den letzten Jahren fluktuieren. Für manche neuen Berufe gibt es noch keine einheitlichen Bezeichnungen oder offizielle Ausbildungen. Andere Jobs „gehen verloren“, indem manche Tätigkeiten schlicht nicht mehr benötigt werden, man denke an traditionelle Berufe wie den Schriftsetzer oder die klassische Telefonistin. 

Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden bis zum Jahr 2035 in Deutschland bis zu 1,5 Millionen Jobs durch die Digitalisierung wegfallen – und ebenso viele neue Berufe werden im selben Zeitraum entstehen. Für Arbeitnehmer wird es deshalb umso wichtiger, flexibel und lernbereit in die Zukunft zu blicken, um mit den wechselnden Berufsanforderungen mitwachsen zu können.

Welche Jobs sind wie stark von der Digitalisierung gefährdet?

Bereits heute kann man Vorhersagen über bestimmte Tätigkeiten machen, die in den nächsten Jahren nicht mehr von Menschen, sondern digital durchgeführt werden. Je nachdem, wie hoch dieses “Substitutionspotenzial“ ist, sind bestimmte Branchen und Berufe mehr oder weniger von der Digitalisierung betroffen. 

 

Jobs mit hohem Substitutionspotenzial 

Berufe mit hohen Substitutionspotenzial setzen sich zu großen Anteilen aus Routineaufgaben mit fixen Abläufen und Wiederholungsschemas zusammen, was zum Beispiel bei vielen Helferberufen der Fall ist. Auch kognitive Prozesse wie das Erheben, Analysieren und Auswerten von Daten können bereits zufriedenstellend von Maschinen erledigt werden. 

Zu den Berufen mit hohem Substitutionspotenzial gehören u.a.:

  • Produktion (83 Prozent) und fertigungstechnische Berufe (70 Prozent)
  • Jobs im Handel (50 Prozent)
  • Bestimmte Tätigkeiten in Verkehr und Logistik (56 Prozent)
  • Berufe mit starker körperlicher Belastung (z.B. Bergleute)

 

Berufe mit mittlerem Substitutionspotenzial 

Etwa 40 Prozent und somit der Großteil aller Arbeitnehmer gehen Berufen mit mittlerem Substitutionspotenzial nach. Solche Branchen und Jobs erfordern unterschiedliche Kompetenzen, von denen nur bestimmte maschinell besser ausgeführt oder digitalisierbar sind. Die Bandbreite der Substituierbarkeit bewegt sich zwischen 30 und 70 Prozent. 

Dies betrifft etwa:

  • Büroangestellte und Assistenzen
  • Bestimmte Verkaufstätigkeiten
  • Management und Organisation
  • Dienstleistungen in IT und Naturwissenschaft
  • Lebensmittel- und Gastgewerbe
  • Land-, Forst- und Gartenbau

 

Diese Arbeitsbereiche haben niedriges Substitutionspotenzial 

Am schwierigsten durch Maschinen zu ersetzen sind im Moment Tätigkeiten, die individuelle menschliche Kompetenzen benötigen – etwa Berufe mit vielen wechselnden Interaktionen zwischen Menschen oder Aufgaben, die Kreativität und Flexibilität erfordern. Auch Bereiche mit operativer Verantwortung, die Einfluss auf Sicherheit und Gesundheit von Lebewesen haben, werden vorerst Menschen vorbehalten. 

Jedoch selbst diese Berufsgruppen sollten Ausmaß und Geschwindigkeit technologischen Fortschritts nicht unterschätzen. Tätigkeiten, die bis vor kurzem als nicht substituierbar galten, werden heute teils von lernfähiger künstlicher Intelligenz ausgeführt – zum Beispiel das Handeln mit Aktien an der Börse oder Texterstellung von Verträgen bis zu Romanen.

Zu Berufen mit (noch) niedrigem Substitutionspotenzial zählen:

  • Soziale Berufe (13 Prozent)
  • Berufe in Gesundheit, Psychologie und Medizin mit Menschenkontakt (21 Prozent)
  • Lehrer und Pädagogen
  • Jobs mit Beratungstätigkeiten
  • Fachkräfte in Sicherheitsberufen (20 Prozent)
  • Künstler und Musiker (13 Prozent)
  • Bau und Ausbau (36 Prozent)
  • Spezialisten und Experten, Management mit operativer Verantwortung 

Arbeitgeber müssen in ihre Mitarbeiter investieren 

In der heutigen dynamischen und digitalisierten Berufswelt wird das Thema Weiterbildung und lebenslanges Lernen immer relevanter. Von Arbeitnehmern wird hierfür Offenheit und Flexibilität gefordert, aber besonders Arbeitgeber sind gefragt, überhaupt entsprechende Bildungsangebote zu schaffen und so zu organisieren, dass diese nicht nur als nebenberufliches „Nice-to-have“ erscheinen. Denn eines ist klar: Digitale Kompetenzen werden in Zukunft berufliche Grundvoraussetzung sein. Um die wachsende Komplexität zu bewältigen, müssen Unternehmer und Personal früh genug eine Wissensbasis schaffen und darauf kontinuierliche Lernprogramme aufbauen.  

Gefragt sind Querschnittskompetenzen 

Digitale Kompetenz ist mehr als nur technologisches Wissen. Aktuelle Fortbildungen zu digitaler Ethik oder Datenschutz zeigen, wie tiefgreifend die Digitalisierung alle beruflichen und gesellschaftlichen Themen beeinflusst. Bewerber und Arbeitnehmer sollten daher nicht anstreben, IT-Experten zu werden, sondern ermitteln, welche Kompetenzen in der jeweiligen Branche und Tätigkeit nun gefordert sind. 

An der Schnittstelle Mensch-Maschine sind vor allem Querschnittskompetenzen gefragt, um Technologien zu steuern und zu warten bzw. Ergebnisse auszuwerten und neue Aktionen zu planen. Neben analytischer Fähigkeit und operativer Verantwortung sind dazu organisatorische Stärke und ebenso Kreativität notwendig. Auch zwischenmenschliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit und empathische Kommunikation geraten mehr in den Fokus, wenn Maschinen Routineaufgaben übernehmen.

Auswirkungen der Digitalisierung im Niedriglohnsektor 

Während gut ausgebildete und verdienende Angestellte durch die Digitalisierung neue Vorteile und Herausforderungen im Job gewinnen, sind Arbeiter im Niedriglohnsektor durch das starke Substitutionspotenzial ihrer Tätigkeiten in Gefahr, ihre Jobs ganz zu verlieren. Schlechter bezahlte Berufe ohne benötigte Vorbildung umfassen zum großen Teil routinemäßige Aufgaben, die geistige oder körperliche Ausdauer fordern. 

An den Beispielen Online Shopping oder Selbstbedienungskasse sieht man auch, wie sich der Markt in Richtung Self-Service mit technischer Unterstützung entwickelt. Daher sind Arbeitnehmer in Berufen mit hohem Substituierungspotenzial noch stärker gefordert, Veränderungen in ihrem Berufsfeld früh genug zu erkennen und sich durch Spezialisierung oder Weiterbildung einen Arbeitsplatz zu sichern. Die Alternative ist das Umsatteln bzw. Umorientieren auf Berufe, die weniger von der Digitalisierung betroffen sind – etwa in sozialen Bereichen.

Fazit: Die Digitalisierung wandelt den Arbeitsmarkt, aber vernichtet ihn nicht

Ob die Digitalisierung ein Jobkiller oder ein Jobmotor ist, lässt sich demnach nicht so einfach beantworten. Manche Jobs verändern sich, andere werden zum automatisierten Teilbereich größerer Systeme und neue Aufgaben entstehen an der Schnittstelle Mensch-Maschine. Und genau hier müssen Arbeitnehmer, aber besonders Unternehmer ansetzen: bei der Kooperation und gemeinsamen Weiterentwicklungen von Technologie und Mensch. 

Es nützt niemandem, den Dualismus zwischen Arbeiter und Maschine mit Spekulation und Unsicherheit zu verstärken – die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben, und der Arbeitsmarkt wird sich weiter wandeln. 

 

Nun ist es an der Zeit, nicht nur über Maßnahmen zur Weiterbildung oder Schulungen für digitale Kompetenz zu sprechen, sondern diese auch zu implementieren und weiterzuentwickeln. Dann kann das digitale, vernetzte Denken zur neuen Normalität werden und Maschinen den Platz einnehmen, für den sie geschaffen wurden: als Unterstützung für den Menschen.

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