VUCA-Welt: Ein neues Zeitalter der Arbeitswelt
Mit der Digitalisierung haben einige Grundpfeiler des Arbeitsbegriffs aus dem 20. Jahrhundert zu bröckeln begonnen: Statt fixer Arbeitsplätze und -zeiten ist mobiles Arbeiten gefragt, die Kommunikation und Zusammenarbeit wird kollaborativer und läuft auf vielen Kanälen, die Hierarchien in Unternehmen werden flacher und klassische Job-Qualifikationen weichen agilen Kompetenzen. Dazu kommen globale Entwicklungen wie das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung und ein stetig wachsender Fachkräftemangel.
Um all diese Phänomene bzw. Wechselwirkungen besser erforschen zu können und Gegenstrategien zu entwickeln, hat sich bei Arbeitsmarktexperten der Begriff „VUCA“ durchgesetzt.
Was heißt VUCA?
VUCA steht als Akronym für vier Begriffe: „Volatility“ – Volatilität, „Uncertainty“ – Ungewissheit, „Complexity“ – Komplexität, „Ambiguity“ – Mehrdeutigkeit. Diese zentralen Eigenschaften kennzeichnen die Herausforderungen, mit denen Führungskräfte und Organisationen in der heutigen digitalisierten Arbeitswelt umgehen müssen.
Warum spricht man von der VUCA-Welt?
VUCA bezeichnet dabei nicht nur einen flüchtigen Trend, der ignoriert oder ausgeharrt werden kann – Arbeitgeber finden sich in einer neuen Realität wieder: der VUCA-Welt. In diesem Marktumfeld, das langfristige Vorhersagen nicht mehr zulässt, reichen traditionelle Management-Methoden oder klassische Organisationsstrukturen nicht mehr aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Merkmale der VUCA-Welt
Um die VUCA-Welt zu navigieren, müssen zunächst die vier zentralen Eigenschaften analysiert werden.
V = Volatil (Volatility)
Volatilität steht für die Unbeständigkeit des Marktumfelds. Durch immer schnellere und häufige Entwicklungen, wie etwa neue Technologien oder kulturelle Wandel, verändern sich regelmäßig die Rahmenbedingungen für Produktion, Service etc.
U = Ungewiss (Uncertainty)
Aufgrund der Volatilität wird es zusehends schwieriger, verlässliche Vorhersagen für die Entwicklungen am Markt, wie zum Beispiel das Kaufverhalten, zu treffen. Dies führt zu einer Stimmung der Ungewissheit, da es keine festen Grundlagen mehr für Entscheidungen gibt.
C = Komplex (Complexity)
Ein weiterer, erschwerender Punkt für Unternehmer ist die Komplexität der VUCA-Welt. Der Erfolg einer Leistung oder eines Produkts ist von einem Netzwerk vieler Einflussfaktoren abhängig, die in einem fragilen, immer wechselndem Verhältnis zueinander stehen. Dadurch ist schwer nachvollziehbar, wo die Ursache einer bestimmten Wirkung liegt und wo Kontrollmaßnahmen zu setzen sind.
A = Mehrdeutig (Ambiguity)
Diese Faktoren führen dazu, dass keine eindeutigen Tatsachen mehr existieren. Ergebnisse und Informationen werden mehrdeutig, je nach Perspektive oder Interpretation sind mehrere Lösungen für Probleme möglich.
Beispiele für VUCA in unserem Arbeitsalltag
Beispiel # 1: Neuartige Jobfelder und Anforderungen durch die Digitalisierung
Jobsuchende und Recruiter können ein Liedchen von der Volatilität und Ungewissheit des Arbeitsmarkts singen. Dank der Digitalisierung sind vollkommen neue Arbeitsfelder wie Data Analyst oder Social Media Manager entstanden, auf der anderen Seite ändern sich durch ständig wechselnde Technologien auch die Märkte und Jobprofile im Eiltempo. Die klassischen Kriterien der Personalauswahl anhand von spezifischen Ausbildungen und konkreter Berufserfahrung greifen hier nicht mehr und Kompetenzen wie Lernfähigkeit oder agiles Management rücken in den Vordergrund.
Beispiel # 2: Grundlegende Änderungsprozesse
„Change Management“ heißt das Gebot der Stunde. Auch konservative Unternehmen, die zum Beispiel noch an analoger Administration und Buchhaltung festhalten, müssen früher oder später Prozesse digitalisieren, um mit Kunden und Partnernetzwerken mithalten zu können. Die digitale Transformation bedeutet mehr als nur oberflächlichen Wandel durch neue Technologien oder Gadgets. Alle Lebensbereiche sind heute davon betroffen, die junge Generation so genannter „Digital Natives“ hat etwa neue Denkweisen entwickelt sowie Arten, Arbeit und Freizeit zu organisieren. Manche Treiber für große Entwicklungssprünge werden schnell erkannt – der Fachkräftemangel und die Globalisierung sind seit Jahren greifbare Probleme für Führungskräfte. Ein volatiles Ereignis wie die Corona-Pandemie und ihre komplexen Auswirkungen sind jedoch immer noch schwer zu fassen.
Beispiel # 3: Info-Flut erschwert Entscheidungen
Das Phänomen Pandemie ist ein gutes Beispiel für die Mehrdeutigkeit in einer Welt schier unendlicher digitaler Quellen und medialisierter Informationen. Führungskräfte waren zu Beginn der Krise gezwungen, schnell zu reagieren und wichtige Entscheidungen zu treffen – und dies trotz vieler widersprüchlicher Informationen in der Öffentlichkeit sowie fehlender Handlungsanweisungen.
Perspektiven in der VUCA-Welt: Alles ist möglich
Das VUCA-Modell soll keineswegs zu mehr Unsicherheit oder Schwarzmalerei führen, denn die andere Seite der VUCA-Münze verspricht Innovation und Wachstum. Sind die Herausforderungen der Arbeitswelt einmal identifiziert, fällt es leichter, die Potenziale dahinter zu sehen. Dort, wo aufgrund volatiler Veränderungen Unsicherheit herrscht, ist auch Raum, um neue Ideen auszuprobieren und dazuzulernen. In der VUCA-Welt sind klare Ziele immer noch wichtig, aber Kompetenzen wie Offenheit, agile Anpassungsfähigkeit und Kommunikationsstärke sind nun die Schlüssel, um diese zu erreichen – dann ist praktisch alles möglich.
Orientierung in der VUCA-Welt: Lösungen für New Leadership und Unternehmen
Um die Chancen der neuen Arbeitswelt ausnutzen zu können, müssen Führungsrollen umgedacht und neue Leadership-Kompetenzen erworben werden.
Die Antwort auf VUCA heißt VUCA
Als Gegenmodell und gleichzeitig Orientierungshilfe für die VUCA-Welt werden neue VUCA-Werte angestrebt: V-ision U-nderstanding C-larity A-gility.
Vision: Führungskräfte der Zukunft müssen Mitarbeitern und Bewerbern mehr als nur einen Arbeitsplatz bieten – eine Vision mit gemeinsamen Werten, einer nachhaltigen Unternehmenskultur und einer klaren Identität nach innen und außen.
Understanding – Verstehen: Hierarchische Systeme mit Top-Down-Entscheidungen sind Vergangenheit. Recruiting und Führung orientieren sich stattdessen an den Mitarbeitern und deren Bedürfnissen sowie Potenzialen – im gemeinsamen Dialog werden so neue Herausforderungen gemeistert. Voraussetzungen dafür sind ein offenes Ohr und die Fähigkeit, Verantwortung abzugeben.
Clarity – Klarheit: Um Mehrdeutigkeit und Unsicherheit zu vermeiden, ist es unumgänglich, sich über Unternehmensziele und -kultur Klarheit zu verschaffen und diese in allen Bereichen auch selbst vorzuleben. Transparente Prozesse und authentische „Mission Statements“ sorgen für Stabilität, auch in Krisenzeiten.
Agility – Agilität: Agiles Management wendet sich vom klassischen Projektmanagement mit langfristiger Planung und noch längeren Entscheidungswegen ab. Um flexibel und schnell auf Veränderungen reagieren zu können, erhalten kleine Teams mehr Verantwortung und Entscheidungsgewalt. Manager fördern und unterstützen dabei die Prozesse von konstantem Austausch und iterativem Lernen mit Blick auf das große Ganze.