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Digitalisierung als Chance zur Gleichstellung

Die Digitalisierung der Gesellschaft hat alle Lebensbereiche erfasst – von unserer Art, zu kommunizieren bis zur Automatisierung von routinierten Arbeitsaufgaben durch intelligente Maschinen. Was in der Diskussion um den digitalen Wandel aber oft ausgeklammert wird, ist die Geschlechterfrage: Wird der Gender Gap zwischen Frauen und Männern, der vom Bereich Ausbildung bis zu beruflichen Rollen und Einkommen immer noch besteht, durch die Digitalisierung vergrößert? Oder sind neue Technologien eine Chance zur Gleichstellung?

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Digitalisierung ist nicht genderneutral

In den letzten Jahren haben sich Politik und Arbeitgeber deutlich darum bemüht, Gleichberechtigung und Frauenförderung zu thematisieren. Dass dies nur ein erster Schritt ist und es mehr braucht, um traditionelle Geschlechterrollen und Muster neu zu definieren, zeigt sich an Gender Gaps in vielen Bereichen: Frauen stecken mehr als doppelt so viel Zeit in Haushalt und Familie als Männer, arbeiten mehr in Teilzeitjobs und verdienen im Beruf durchschnittlich um 18 Prozent weniger als männliche Kollegen.

 

Die Digitalbranche ist immer noch männlich dominiert

Dieses Ungleichgewicht macht auch vor der digitalisierten Arbeitswelt nicht Halt, laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen beträgt der Anteil von Frauen in der IKT-Branche etwa nur 17 Prozent. Dementsprechend niedrig hält sich die Anzahl von Unternehmensgründerinnen und weiblichen Führungskräften in der Digitalbranche – hinter fast drei Viertel aller Gründungen in diesem Bereich stecken reine Männerteams. 

Einer von vielen Gründen dafür ist, dass Frauen neben LGBTIQ+-Beschäftigten und People of Color im IKT-Arbeitsumfeld besonders stark von Diskriminierung oder sexueller Belästigung betroffen sind.

Diskriminierung von Frauen im Internet und durch Algorithmen

Selbst in digitalen Räumen sind Frauen weniger sicher als Männer, ganze 83 Prozent aller Hasskommentare im Internet richten sich gegen weibliche Nutzerinnen. Gesetzliche Maßnahmen zum besseren Schutz von Frauen und Mädchen im digitalen Raum sind noch in den Kinderschuhen.

Da digitale Technologien hauptsächlich von Männern entwickelt und kontrolliert werden, wiederholen scheinbar „neutrale“ Maschinen oder Programme auch männlich geprägte Muster. Systeme mit künstlicher Intelligenz werden etwa mit bestimmten Daten trainiert, die zum Beispiel über Personalauswahl oder die Vergabe von Krediten bestimmen. Viele dieser Daten beruhen jedoch auf stereotypen Situationen und spiegeln nur die Wünsche oder Bedürfnisse von Männern wieder – Diskriminierung auf Knopfdruck sozusagen.

Digitale Technologien als Chance zur Gleichstellung

Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn alle die gleichen Verwirklichungschancen haben – unabhängig vom Geschlecht oder anderen Faktoren. Wenn moderne Errungenschaften weiterhin in Systemen und Strukturen eingebettet sind, die für eine bestimmte Gesellschaftsgruppe maßgeschneidert sind, kann das jedoch nicht passieren.

Die Digitalisierung hat gezeigt, dass ein grundlegender Wandel unserer Gewohnheiten und Vorlieben durchaus möglich ist. Man denke nur an den „vorläufigen Trend“ Mobiltelefon, das heute zum Begleiter in allen Lebenslagen geworden ist. Deswegen haben digitale Technologien auch großes Potenzial, um geschlechtliche Rollenzuschreibungen zu durchbrechen und Machtverhältnisse neu zu verhandeln. Voraussetzung dafür sind allerdings die richtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Änderungsmaßnahmen.

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Lösungsansätze für geschlechtergerechte Digitalisierung

Geschlechter-Codes und Prägungen werden früh geformt, vor allem in den Bereichen Technik oder Naturwissenschaft herrschen geschlechtliche Unterschiede in Sachen Interesse, Zugang und Nutzung. Deswegen muss bereits bei der Kindererziehung ein besonderes Augenmerk auf geschlechtliche Aspekte und Vorurteile gelegt werden. 

Ein Wandel tradierter Denkweisen ist nur durch umfassende Maßnahmen in verschiedenen Bereichen realisierbar:

Digitale Bildung ist der Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit

Es braucht mehr Anreizsysteme und transparente Angebote, um bereits in der Schule das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern zu wecken. Investitionen in digitale Geräte und Schulungen für den Bildungsbereich schaffen gleiche Startvoraussetzungen für alle. In technischen Studien sowie in IT-Berufsfeldern ist es kritisch, den Status der Männerdomäne abzustreifen und Vielfalt sowie gleiche Aufstiegschancen zu fördern.

Die Digitalisierung als Chance für neue Rollen- und Vorbilder

Damit in der Digitalbranche mehr Frauen Führungsrollen übernehmen oder Unternehmen gründen können, benötigen sie dieselben staatlichen Absicherungen und Fördermittel wie ihre männlichen Gegenüber. Unterschiedliche Regelungen zur Elternzeit bis zu Stolperfallen in der Kreditvergabe bilden nur einige der Hürden für IT-Aufsteigerinnen. Ebenso wichtig ist eine höhere Sichtbarkeit von weiblichen Tech-Vorbildern und Meinungsmacherinnen in Medien und Politik.

Das Internet braucht mehr Vielfalt und weniger Stereotypen

Nicht nur technisches Wissen und Können sollten bereits im Kindesalter gefördert werden –Medienkompetenz bedeutet vor allem auch, den richtigen und diskriminierungsfreien Umgang mit den neuen Technologien zu lernen. Das gilt besonders für Social Media Nutzung. Auf Seiten von Justiz, Polizei oder Beratungsstellen fehlt es wiederum häufig an fachspezifischem Wissen, um Opfern von Cybergewalt ausreichend helfen zu können. 

Zudem existieren online unzählige kommerzielle Anbieter, die stereotype Geschlechtermodelle verstärken und bewusst bestimmte Gruppen ausschließen, etwa im Gamingbereich. Da das Internet kein rechtsfreier Raum ist, braucht es für solche Machtinhaber strengere Kontrollen und Gleichstellungsvorgaben.

Fix the company, not the women: Wie Unternehmen zur digitalen Gleichstellung beitragen können

Neben Politik und Bildung tragen Wirtschaft und Industrie eine große Verantwortung für den Erfolg geschlechtergerechter Digitalisierung. Das gilt für alle Branchen, aber speziell Unternehmen, die die Digitalisierung maßgeblich gestalten und vorantreiben. 

 

Tipps für ein geschlechtergerechtes, modernes Arbeitsumfeld

Tech-Unternehmer und HR-Teams sind gefragt, ihre Arbeitsmethoden und Organisationsstrukturen kritisch zu hinterfragen und Technologien aktiv zu nutzen, um geschlechtergerechte Systeme zu kreieren. 

  • Das beginnt beim Anforderungsprofil einer Stelle – werden als „männlich“ wahrgenommene Kompetenzen betont, gibt es versteckte Vorurteile in der Leistungsbewertung und Schieflagen in der Entlohnung?
  • Auch moderne, KI-unterstützte Recruitingmethoden können kulturell vorbelastet sein. Achten Sie deswegen auf geschlechtergerechte Trainingsdaten der Technologien und transparente, nachvollziehbare Entscheidungsprozesse
  • Homeoffice und mobiles Arbeiten können die Gleichstellung durch eine bessere Work-Life-Balance vorantreiben. Aber nur, wenn überprüft wird, ob für alle Geschlechter zuhause die gleichen Arbeitsbedingungen herrschen und es klare Rahmenvorgaben gibt
  • Flache Hierarchien und agiles Projektmanagement tragen dazu bei, die Leistung jedes Teammitglieds sichtbarer zu machen. Führungskräfte müssen hierfür transparente digitale Prozesse ermöglichen und Verantwortung gerecht aufteilen sowie entlohnen.
  • Neben bekannten Maßnahmen wie Diversity-Management-Schulungen hilft eine eigene Mediatorenrolle im Team, etwa Diversity-Beauftragte, um den ganzheitlichen Wandel im Unternehmen zu begleiten und gleichzeitig Ansprechperson zu sein. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei digitalen Kompetenzen und Förderangeboten geschenkt werden.

Fazit: Digitalisierung für die Gleichstellung der Geschlechter nutzen

Kehren wir zur Einleitungsfrage zurück: Ist Digitalisierung eine Chance oder ein Hindernis für die Gleichstellung? Die Antwort lautet – sie kann beides sein. Deswegen liegt es an Unternehmern, Politikern und anderen gesellschaftlichen Entscheidungsträgern, auf Missstände in Sachen Gleichberechtigung hinzuweisen und Systeme zu schaffen, die allen Menschen dieselben Entwicklungschancen gewähren. Mithilfe von digitalen Technologien können dann neue, vielfältige Netzwerke, flexible Berufsrollen und individuelle Arbeitsmodelle entstehen.

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