Neue Organisationsformen: Unternehmen im Wandel
Schlagworte wie Arbeit 4.0, agile Organisation und Arbeitnehmermarkt stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Welche Faktoren stecken hinter dem Wandel der Arbeitswelt?
- Zum einen haben innovative Technologien vielen Organisationen zum wirtschaftlichen Wachstum verholfen und gleichzeitig die Art der Zusammenarbeit sowie die Kommunikation verändert.
- Dadurch haben sich die Anforderungen der Märkte bzw. der Kunden gewandelt, die Entwicklung von Dienstleistungen oder Produkten ist nicht mehr geradlinig unter immer komplexeren und wechselhaften Rahmenbedingungen.
- Zum anderen ist eine neue Generation von Arbeitnehmern herangewachsen, die veränderte Erwartungen hinsichtlich Unternehmenskultur, Selbstbestimmung und Flexibilität in der Arbeitsgestaltung haben und diese auch vom Arbeitgeber einfordern.
Besonders traditionell aufgestellte Unternehmen spüren zunehmend den Druck, mit der flexibleren und agilen Organisationen im Wettbewerb zu bleiben. Laut einer Studie von Deloitte sehen 88 Prozent der Unternehmer den Bedarf, ihre Organisation neu zu gestalten, um in der digitalen Welt erfolgreich zu sein – jedoch nur 11 Prozent fühlen sich dazu in der Lage.
Doch was genau bedeutet es ein Unternehmen neu zu gestalten?
Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und Organisationsform
Eine jüngst von Stepstone und Kienbaum durchgeführte Studie unter 14.000 Fach- und Führungskräften behauptet: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines Unternehmens und dessen Organisationsform. Am besten abgeschnitten haben hierbei agile Organisationen, in denen sich Mitarbeiter unter anderem eigenständig steuern. Für Unternehmen mit klassischen Organisationsstrukturen sind diese hingegen kaum ein Erfolgstreiber.
Zusammenhang zwischen Innovationsleistung und Hierarchie
Einen weiteren zentralen Zusammenhang stellt die Untersuchung zwischen der Innovationsleistung von Unternehmen und der Hierarchiestruktur fest. Die Studie folgert: Je flacher die Hierarchie einer Organisation ist, umso besser fällt ihre Innovationsleistung aus. Im Umkehrschluss sind Unternehmen benachteiligt, die ihre Mitarbeiter und Arbeitsprozesse weiterhin nach strengen Top-Down-Hierarchien organisieren.
🡪 Um dauerhaft erfolgreich, wachstumsfähig und innovativ zu bleiben, sollten Unternehmensverantwortliche und Personaler folglich die Struktur, Führungskonzepte und Arbeitsweisen ihres Unternehmens überdenken.
Organisationsformen im Überblick
Die Organisationsstruktur eines Unternehmens hängt von mehreren Gegebenheiten wie der Branche, Größe, Alter, Dynamik des Umfelds sowie den strategischen und kulturellen Rahmenbedingungen ab. Zu den grundlegenden Unterscheidungsmerkmalen zwischen Organisationsformen gehören die Stellenbildung, also die Verteilung von Aufgaben und Stellen, das Führungsmodell und die zentrale oder dezentrale Verteilung der Entscheidungskompetenzen.
Hierarchische Organisationsstruktur
Die Urform von Organisationsstrukturen gleicht visuell einer Pyramide: An der Spitze die Führungskraft, darunter das mittlere Management und an der Basis die Mitarbeiter oder Berufseinsteiger. Die Befehlskette geht vertikal nach unten, wobei die Position des Einzelnen von seiner Entscheidungsmacht abhängig ist.
In hierarchischen Organisationsstrukturen sind die Zuständigkeiten, Verantwortungsebenen und Karrierestufen klar definiert, wodurch immer ein Ansprechpartner vorhanden ist und Entscheidungen schneller getroffen werden können. Auf der anderen Seite kann fehlerhaftes oder ineffizientes Management weitreichende negative Auswirkungen auf das ganze Unternehmen haben.
Funktionale Organisationsform
In funktionalen Organisationen werden Mitarbeiter nach ihren spezifischen Fähigkeiten und Funktionen in Abteilungen organisiert – etwa Vertrieb, Produktion, Human Resources usw. Jede Abteilung wird unabhängig geführt, insgesamt sind aber alle Bereiche der Unternehmensführung unterstellt.
Funktionale Organisationsformen fördern die Spezialisierung und Konzentration der Mitarbeiter auf ein Fachgebiet, Teams bzw. Abteilungen sind klar abgegrenzt und weitgehend selbstbestimmt. An den Schnittstellen kann es wiederum zu Koordinationsproblemen kommen, oder zu Konkurrenzverhalten zwischen einzelnen Bereichen.
Abteilungsübergreifende Organisationsstruktur
Bei der divisionalen oder abteilungsübergreifenden Organisationsform agieren Abteilungen wie autonome „Unternehmen im Unternehmen“. Diese Divisionen verfügen daher über ihre eigenen Ressourcen und bilden Unterabteilungen, wie etwa Marketing, IT, aus. Dieses Modell ist besonders vorteilhaft für große und internationale Konzerne, um Entscheidungsprozesse effizienter und flexibler zu gestalten.
Abteilungsübergreifende Organisationsstrukturen können nach verschiedenen Gesichtspunkten gegliedert werden:
Marktbasierte abteilungsübergreifende Organisationsstruktur
Divisionen werden hier nach dem jeweiligen Marktsegment, der Branche oder dem Kundentypen gebildet. So bleibt das Unternehmen am Puls unterschiedlicher Zielgruppenwünsche und ermöglicht den Teams selbstständiges Arbeiten. Bei zu viel Autonomie entsteht aber die Gefahr von Verdopplungen zwischen den Abteilungen oder nicht kompatiblen Strategien.
Produktbasierte abteilungsübergreifende Organisationsstruktur
Abteilungen können ebenso nach Produktlinien unterteilt werden, diese Trennung fördert kürzere Produktentwicklungszyklen und Misserfolge einzelner Abteilungen werden leichter abgefedert. Ein Nachteil ist etwa die schwierigere Skalierung des Modells.
Geografische abteilungsübergreifende Organisationsstruktur
Ein weiteres gängiges Organisationsmodell ist die Einteilung von Divisionen nach Region, Gebiet oder Bezirk. Derart organisierte Unternehmen sind in der Lage, ein differenziertes Netz von lokalen oder internationalen Büros zu entwickeln, die sich an die Bedürfnisse der jeweiligen Standorte anpassen. Auf der anderen Seite kommt es leichter zu Kommunikationsproblemen zwischen den Abteilungen und der Zentrale.
Matrix-Organisation
Die Matrixstruktur soll die Vorteile der funktionalen und divisionalen Organisationsformen verbinden. Das entsprechende Organigramm gleicht einem Raster mit verschiedenen Hierarchieebenen: Es werden Teams nach Projekten oder Produktgruppen gebildet, diese Abteilungen setzen sich wiederum aus Mitarbeitern mit verschiedenen Funktionen und Spezialisierungen zusammen. Jedes Team und jede Funktionsgruppe hat eine Führungsperson, die an die Unternehmensleitung berichtet.
Die interdisziplinären Teams befördern Wissensaustausch, Innovation und Kreativität. Die doppelte Anknüpfung der Mitarbeiter an die projektbezogene und die funktionale Abteilung soll für fachlichen Überblick und eine enge Teamkultur sorgen. Nachteile der Matrixstruktur sind der hohe Kosten- und Koordinierungsaufwand durch viele Führungspositionen oder Probleme mit der Einteilung von Zuständigkeiten und Ressourcen.
Teambasierte Organisationsstruktur
Bei der Organisation eines Unternehmens in Teams werden traditionelle Hierarchien aufgebrochen, indem einzelnen Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen wird und kollaborative Zusammenarbeit in den Vordergrund rückt.
Teambasierte Organisationen legen den Fokus auf Produktivität und Wachstum. Karrierewege innerhalb des Unternehmens sind flexibler, aber auch schwerer nachvollziehbar.
Netzwerk-Organisationsstruktur
Netzwerkstrukturen visualisieren komplexe Modelle der Zusammenarbeit, zum Beispiel wenn Unternehmen viele externe oder freie Mitarbeiter beschäftigen, bzw. wenn einige Subunternehmen oder separat geführte Standorte vorhanden sind. Während die Ressourcen und Verantwortlichkeiten relativ autonom aufgeteilt werden, verbinden die Organisationsmitglieder gemeinsame Ziele und offene Kommunikationsprozesse.
Netzwerk-Organisationen sparen durch Outsourcing Kosten ein, sind flexibler und im Kerngeschäft konzentrierter. Die Komplexität der parallelen Prozesse und Akteure kann jedoch überhandnehmen und die Produktivität bremsen.
Führen im Rahmen der neuen Organisationsformen
Moderne Organisationsformen, die klassische vertikale Hierarchiestrukturen aufweichen und sich agil an Herausforderungen anpassen, brauchen moderne Führungskräfte. Wo früher absolute Autorität, strikte Vorlagen und Kontrolle den Ton angegeben haben, zeichnet sich die Leitung von heute durch zwischenmenschliche Kompetenz, Flexibilität und unterstützende Tätigkeiten aus. Moderation und funktionsübergreifendes Coaching rücken in den Fokus. Statt Teams anzuleiten, sollen diese zum eigenständigen Arbeiten befähigt werden – die Basis dafür sind eine transparente Vertrauenskultur und stärkere Prozessorientierung.
Fazit: Der Weg zu neuen Organisationsformen ist individuell
Am Weg zu agileren, zeitgemäßen Organisationsstrukturen kann es hilfreich sein, die externe Perspektive von Beratern oder Coaches heranzuziehen. Vor einer Umstrukturierung des Unternehmens müssen der IST- und der SOLL-Zustand genau betrachtet werden: Welche Aspekte sind zentral für das Unternehmen, was sind die mittel- und langfristigen Ziele und welche Organisationsform kann die Brücke zwischen aktueller Unternehmenskultur und Fortschritt schlagen? Es ist weder sinnvoll, an vermeintlich sicheren und traditionsreichen Strukturen festzuhalten, noch hilft es Unternehmen, zwanghaft agile oder dezentrale Organisationsformen durchzusetzen. In Zukunft heißt es: Mut zur Veränderung, aber schrittweise und mit Blick nach innen.